Wer regelmäßig durch LinkedIn scrollt, bemerkt schnell ein bestimmtes Muster bei den Beiträgen: Sie ähneln sich nicht nur inhaltlich, sondern auch in Aufbau, Stil und optischer Gestaltung. Typischerweise beginnen sie mit einer provokanten Aussage oder Frage, oft ergänzt durch ein Emoji – ein klassisches Clickbait, um Aufmerksamkeit zu generieren. Der eigentliche Beitrag folgt einem fast schon vorhersehbaren Schema: kurze Absätze, viele Emojis und die oberflächliche Behandlung vermeintlich tiefgründiger Themen. Besonders beliebt sind dabei:
- Work-Life-Balance
- Arbeitsgewohnheiten
- Leadership-Weisheiten
- Karrieretipps
- Persönliche „Erfolgsgeschichten“
Ein weiteres, fast unverzichtbares Element ist die abschließende Aufforderung zur Interaktion (z. B.: „Wie seht ihr das?“) sowie ein Selfie oder ein generisches Bildmotiv, das häufig KI-generiert ist. Dabei scheint es oft unwichtig, ob das Bild tatsächlich thematisch zum Beitrag passt.
Doch warum produzieren so viele LinkedIn-Nutzer Beiträge, die weder inhaltlichen Tiefgang noch echten Mehrwert bieten? Die naheliegende Vermutung, dass diese Texte überwiegend KI-generiert sind, greift zu kurz – auch wenn viele solcher Beiträge tatsächlich mit Unterstützung oder vollständig von einer KI erstellt werden. Der eigentliche Grund liegt tiefer: Es geht um den systematischen Aufbau einer Personal Brand auf LinkedIn. Das Business-Netzwerk hat sich längst zur Plattform für „Business-Influencer“ entwickelt, bei der Reichweite und Interaktion als wichtigste Währungen gelten.
Diese Beiträge entstehen selten aus intrinsischer Motivation – weder aus Freude am Schreiben noch aus dem Wunsch, wertvolle Expertise mit dem Netzwerk zu teilen. Vielmehr werden sie gezielt für den Algorithmus geschrieben. Die Autoren richten sich dabei weniger an ihre Mitmenschen, sondern an die LinkedIn-KI und Algorithmus, in der Hoffnung, mehr Profilaufrufe oder neue Kontakte zu gewinnen.
Natürlich ist es legitim und häufig auch beruflich sinnvoll, auf LinkedIn sichtbar zu sein und sich zu vernetzen. Doch die aktuelle Entwicklung stellt Autoren auf LinkedIn vor ein Dilemma: Entweder erstellt man Inhalte, die den Nutzern echten Mehrwert oder wertvolle Informationen bieten, oder man verfasst Beiträge, die speziell auf den LinkedIn-Algorithmus zugeschnitten sind, um maximale Reichweite zu erzielen. Zwar schließen sich diese beiden Ansätze nicht zwangsläufig aus, doch der Trend auf LinkedIn zeigt eine klare Verschiebung in Richtung algorithmusoptimierter Inhalte. Dabei hat LinkedIn durch seinen Algorithmus die falschen Anreize gesetzt und eine Kultur geschaffen, die oberflächliche statt qualitativ hochwertige Beiträge bevorzugt.