Die Älteren unter uns werden sich noch an den sogenannten „Browserkrieg“ zwischen dem Netscape Navigator und dem Internet Explorer von Microsoft erinnern, der grob zwischen 1995 und 1998 stattgefunden hat. Der Ausgang sollte allgemein bekannt sein: Microsoft integrierte den Internet Explorer in sein weitverbreitetes Betriebssystem „Windows“ und nahm vielen Nutzern damit den Anreiz, zusätzlich in ein kostenpflichtiges Produkt wie den Netscape Navigator zu investieren. Dementsprechend brachen die Verkaufszahlen bei Netscape rapide ein. Auch das spätere kostenlose Angebot des Netscape Navigators konnte den Rückgang der Marktanteile nicht mehr stoppen. Der Fall des Netscape-Browsers ist ein ziemlich gutes Beispiel für das aggressive Vorgehen von Microsoft und das Ausnutzen seiner Monopolstellung im Bereich Betriebssysteme.

Der Konkurrenzkampf zwischen Netscape und Microsoft führte jedoch auch zu technischen Fortschritten im Web: Viele neue Webfunktionen wurden eingeführt, von denen einige später in offizielle W3C-Standards eingeflossen sind. Beispiele hierfür sind , , innerHTML oder DHTML. Diese Entwicklungen haben das Web vorangebracht, führten aber auch zu Inkonsistenzen, die das Erstellen von Webseiten in dieser Zeit deutlich erschwerten.

Ein ähnliches Phänomen konnte man auch beim Microsoft Defender beobachten. Anfangs wurde er belächelt – zurecht, denn er war technisch unterdurchschnittlich. Doch in den letzten Jahren hat sich der Microsoft Defender zu einem akzeptablen Virenscanner entwickelt, insbesondere für Privatpersonen. Viele Hersteller von Antivirussoftware erlitten Umsatzeinbrüche und richteten sich mit neuen Services oder Produktportfolios strategisch neu aus.

Blicken wir aber vom Schlangenöl zurück auf Netscape: Einer der letzten Schritte von Netscape war es, den Quellcode ihres Navigators unter einer Open-Source-Lizenz zu veröffentlichen, bevor die Marke beim neuen Eigentümer AOL in der Bedeutungslosigkeit verschwand. Nachdem der größte Konkurrent verschwunden war und Microsoft mit dem Internet Explorer einen Marktanteil von rund 90 % erreichte, wurde auch dort die Weiterentwicklung stark zurückgefahren. Die Entwickleranzahl schrumpfte deutlich – ab Version 6 erhielt der Internet Explorer über Jahre hinweg nur noch Sicherheitsupdates.

Erst mehrere Jahre später, ab etwa 2003/2004, konnte Firefox als Erbe von Netscape wieder spürbare Marktanteile zurückgewinnen. Der Erfolg basierte auf Innovationen wie Tabbed Browsing (ja, Tabs waren damals tatsächlich bahnbrechend) und Plugins. Die folgenden Jahre gelten rückblickend als der „zweite Browserkrieg“. Microsoft reagierte erst 2005 mit dem Internet Explorer 7 auf die neue Konkurrenz und brachte neue Funktionen sowie ein modernisiertes Interface.

Völlig überraschend veröffentlichte Google im Jahr 2008 seinen eigenen Browser. Mit Chrome setzte sich Google innerhalb weniger Jahre an die Spitze: Seit 2012 ist Chrome laut verschiedenen Quellen der weltweit meistbenutzte Browser mit einem Marktanteil zwischen 60 und 70 Prozent. Die Verbreitung von Android-Smartphones, auf denen Chrome vorinstalliert ist, hat diesen Trend sicher verstärkt. Man könnte durchaus argumentieren, dass mit dem Aufkommen von Chrome der „dritte Browserkrieg“ begonnen hat.

Eigentlich ist das alles gar nicht so dramatisch: Zuerst nutzten alle Netscape, dann Internet Explorer, später Firefox und heute eben Chrome. Die Marktanteile verschieben sich. Problematisch ist jedoch, dass sich dabei fast immer Monopole bilden. Ein Browser dominiert in der Regel den Markt – und mit Microsoft und Google haben wir es mit Unternehmen zu tun, die zusätzlich in anderen Bereichen wie Betriebssysteme, Suchmaschinen oder Werbung marktbeherrschende Stellungen einnehmen und diese gezielt ausnutzen können.

Googles Chrome funktioniert beispielsweise spürbar besser mit hauseigenen Diensten wie Google Docs, Gmail, Maps oder YouTube. Ein Grund dafür ist, dass Google auch die zugrunde liegenden Technologien wie die JavaScript-Engine V8 und die Rendering-Engine Blink selbst entwickelt. Der Chrome-Browser ist natürlich genau darauf optimiert – was zu einer schnelleren und flüssigeren Nutzung dieser Dienste führt. Manche halten das für Innovationskraft, andere sehen darin eine gezielte Bevorzugung eigener Produkte im Google-Ökosystem.

Hinzu kommt, dass Chrome seit Jahren von Datenschützern wegen seines fragwürdigen Umgangs mit Nutzerdaten kritisiert wird. Viele der gesammelten Informationen fließen direkt an Google – auch im Inkognito-Modus.

Ein weiteres Problem betrifft Mozilla, die Organisation hinter Firefox: Über 90 % ihrer Einnahmen stammen von Firefox. Da Firefox selbst kostenlos und OpenSource ist, generiert Mozilla den Großteil seiner Einnahmen durch Verträge – insbesondere durch Lizenzverträge von Suchmaschinen wie Google dafür, dass es als Standardsuchmaschine im Browser voreingestellt oder verfügbar ist. Diese starke finanzielle Abhängigkeit von Google wurde bereits seit dem Erscheinen von Chrome kritisch betrachtet. Zwar hat Google die Zahlungen bisher nicht eingestellt oder reduziert, doch aktuell steht dieses Geschäftsmodell juristisch auf der Kippe: Das US-Justizministerium möchte solche bezahlten Partnerschaften zwischen Google und Browseranbietern künftig verbieten. Sollte dieser Vorschlag umgesetzt werden, würde das Mozilla finanziell massiv treffen – möglicherweise mit existenzbedrohenden Folgen für Firefox.

Es wäre für das offene Internet – und insbesondere für die Open-Source-Community – äußerst tragisch, wenn Mozilla den Betrieb aufgrund finanzieller Schwierigkeiten einstellen müsste. Mozilla ist seit Jahrzehnten eine der wenigen Organisationen, die sich konsequent für ein freies, zugängliches und datenschutzfreundliches Web einsetzen.

Firefox, das bekannteste Produkt von Mozilla, war und ist ein wichtiger Gegenspieler zu den dominierenden Konzernen im Web. Die Organisation hat maßgeblich zur Entwicklung und Etablierung vieler offener Webtechnologien beigetragen, darunter etwa:

  • Do Not Track – ein früher Versuch, Nutzer:innen die Kontrolle über ihre Privatsphäre beim Surfen zu geben
  • WebAssembly – eine neue Art, Hochleistungsanwendungen im Browser auszuführen
  • Offene Web-APIs, die standardisiert und für alle zugänglich sind
  • Der Tracking-Schutz und Fingerprint-Schutz von Firefox, der heute als einer der besten im Markt gilt

Ohne Firefox gäbe es nur noch zwei echte Rendering-Engines:

  • Blink, die von Google entwickelt wird und in Chrome, Opera/Vivaldi, Brave und sogar im Edge von Microsoft zum Einsatz kommt
  • WebKit, entwickelt von Apple, aber nur auf Apple-Geräten verfügbar mit macOS oder iOS – und unter iOS sogar obligatorisch für alle Browser

Der Verlust von Firefox würde somit bedeuten, dass faktisch keine unabhängige Alternative mehr existiert, die nicht direkt oder indirekt von einem Tech-Giganten kontrolliert wird. Ein Großteil der Webstandards würde dann de facto von Google dominiert – mit allen Risiken für Innovation, Datenschutz und auch Vielfalt.

Darüber hinaus ist Mozilla nicht nur der Browser. Die Organisation betreibt auch andere wichtige Projekte, wie zum Beispiel das MDN Web Docs und war früher maßgeblich an der Entwicklung am freien E-Mail Client Thunderbird sowie der modernen Programmiersprache Rust beteiligt.

Mozilla ist heute einer der letzten Akteure im Web, der nicht auf Datenmonetarisierung angewiesen ist – und gerade deshalb ein wichtiger Gegenpol zu Google, Meta und Co. Sollte Mozilla verschwinden, würde das Gleichgewicht im Web spürbar kippen.

Zwar versucht sich Mozilla aktuell mit zusätzlichen Diensten wie einem eigenen VPN, speziellen E-Mail-Angeboten (z. B. Firefox Relay) und auch im Bereich künstliche Intelligenz neu auszurichten, allerdings ist fraglich, ob diese Angebote langfristig für eine stabile Finanzierung ausreichen werden.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde ein Open-Source-Projekt wie Firefox auch ohne Mozilla als Organisation in irgendeiner Form weiterbestehen. Allerdings hat Mozilla in den vergangenen Jahren eine zentrale Rolle bei der Koordination und Weiterentwicklung des Projekts übernommen. Ohne diese Struktur könnte die Entwicklung deutlich langsamer vorangehen, wichtige Sicherheitsupdates könnten sich verzögern, und strategische Entscheidungen würden schwerer zu treffen sein. Auch die Pflege der Add-on-Infrastruktur, plattformübergreifende Tests und die Mitarbeit an offenen Webstandards wären ohne Mozilla kaum im bisherigen Umfang möglich.