Wissensmanagement in der IT

Wissensmanagement


In der schnelllebigen IT-Branche ist Wissen mittlerweile die wertvollste Ressource geworden. Jeder Beruf in der IT, egal ob Administrator oder Entwickler, ist ein wissensintensive Tätigkeit. Gleichzeitig ändern sich die Trends und technologien in der IT rassend schnell. Effizientes Wissensmanagement kann ein wichtiger Schlüssel zu Produktivität, Qualität und Innovation. Problematisch ist, dass sich der Nutzen vom Wissensmanagement nicht immer in harten Fakten messen lässt [1].

Wissen

Bevor wir uns mit Wissensmanagement befassen, sollten wir zunächst definieren, was überhaupt unter Wissen zu verstehen ist.

Leider gibt keine einheitliche Definition zu dem Begriff Wissen. Viel mehr ist die Definition vom Blickwinkel auf das Thema abhängig. Es ist wichtig zu verstehen das Wissen mehr als nur Informationen oder Daten sind. Es ist die Verknüpfung von Informationen mit Interpretationen, Kontexten und Erfahrungswerten.

Wissenstreppe von North

Modelle wie die Wissenstreppe von Klaus North verdeutlichenden den Prozess wie aus einzelnen Daten schlussendlich Wissen entsteht.

Wissen entsteht erst durch praktische Anwendung von Informationen. Es ist wichtig, dass Informationen und Wissen nicht verwechselt werden. Modelle wie die Wissenstreppe von Klaus North verdeutlichenden den Prozess wie aus einzelnen Daten schlussendlich Wissen erzeugt wird.

Wissenstreppe nach Klaus North
Abbildung 1: Wissenstreppe nach Klaus North, Eigene Darstellung

North [2] hat die Wissenstreppe in bestimmten Details immer wieder den aktuellen Entwicklungen angepasst. Im Dokument Wissen 4.0 – Wissensmanagement im digitalen Wandel erwähnt North Big Data, E-Learning oder Collaboration Software als mögliche Tools um Wissen zu erzeugen.

Explizites vs. implizites Wissen

Wissen wird dabei oft in explizit und implizit unterteilt. Explizites Wissen ist greifbar und kann vom Träger ohne Probleme weitergegeben werden bzw. verschriftlicht werden. Klassische Beispiele für explizites Wissen sind die schriftliche Dokumentation über einen Prozess oder Quellcode. Implizites Wissen hingegen ist nicht greifbar und kann nicht einfach weitergegeben werden. Oft ist sich der Träger auch nicht über dieses Wissen bewusst. Aus diesem Grund wird implizites Wissen auch oft unbewusstes Wissen genannt. Implizites Wissen kann analytisches Verständnis sein, Best Practices aus Erfahrungswerten oder einfach das Verständnis, was ein Kunde braucht und kaufen möchte. In der Regel ist das meiste Wissen im Unternehmen implizit und nicht explizit [3].

Reinmann-Rothmeier [4] nutzt einen anderen, aber aus meiner Sicht passenden Vergleich. Laut Reinmann-Rothmeier kann Wissen wie Wasser drei (Aggregat-)Zustände haben: gefroren, flüssig und gasförmig. Gefrorenes Wissen ist greifbar und entspricht explizitem Wissen. Flüssiges Wissen ist greifbar, zerrinnt einem aber zwischen den Händen, wenn es nicht festgehalten (dokumentiert) wird. Gasförmiges Wissen ist implizites Wissen, es verteilt sich überall, ist oft nicht sichtbar und nicht greifbar. Die Herausforderung ist nun, implizites Wissen zu identifizieren und in explizites umzuwandeln.

SECI-Modell nach Nonaka u. Takeuchi

Ein bekanntes Modell um implizites in explizites Wissen umzuwandeln ist das SECI-Modell [5] von Ikujiro Nonaka und Hirotaka Takeuchi. SECI steht für die vier Phasen des Modells:

Abbildung 2: SECI-Modell, Eigene Darstellung
SECI-Modell mit Wissensspiraled
  • Sozialisation (Socialization): Implizites Wissen wird durch gemeinsame Erfahrungen und Beobachtung direkt zwischen Individuen ausgetauscht. Z.B.: Pair-Programming mit Junior und Senior Entwicklern.
  • Externalisierung (Externalization): Implizites Wissen wird in explizites Wissen umgewandelt und formalisiert. Z.B.: Dokumentation von Best Practices und Lessons Learned aus Projekten oder Retrospektiven.
  • Kombination (Combination): Verschiedene Formen expliziten Wissens werden miteinander kombiniert und neu zusammengesetzt, z.B. die Erstellung neuer Handbücher durch Zusammenführen bestehender Dokumente.
  • Internalisierung (Internalization): Explizites Wissen wird verinnerlicht und in implizites Wissen der Individuen umgewandelt, z.B. durch Mitarbeitertrainings oder Learning-by-Doing.

Diese vier Phasen sind zyklisch miteinander verbunden und beschreiben so einen kontinuierlichen Prozess der Wissensschaffung und -weitergabe in Unternehmen. Dies wird häufig mit einer Spirale angedeutet, weshalb das SECI-Modell manchmal auch Wissensspirale wird.

Das SECI-Modell ist natürlich nicht das einzige Modell welches sich mit Wissensübertragung beschäftigt. Weitere bekannte Modelle sind das KODIAU-Modell von Pawlowsky und Gözalan oder I(I)XA-Modell von Enkel und Lisboa.

Was ist Wissensmanagement?

Wissensmanagement umfasst alle Prozesse und Praktiken zur systematischen Erfassung, Speicherung, Verteilung und Nutzung von Wissen innerhalb einer Organisation. Das Ziel ist es, den reibungslosen Fluss von Informationen und Erfahrungswissen zwischen Mitarbeitern, Teams und Abteilungen zu gewährleisten. Ein gut strukturiertes Wissensmanagement erhöht die Effizienz, verhindert Doppelarbeit und beschleunigt Lernprozesse. Eine Teilkategorie des Wissensmanagements ist das Informationsmanagement, welches sich, wie der Name vermuten lässt, mit dem Sammeln, Speichern und Verteilen von Informationen befasst. Wikis sind in der IT wohl eine der bekanntesten und meistgenutzten Informationssysteme, wenn es um das Speichern von Informationen geht. Das größte Problem ist, dass das Erstellen und Pflegen von Dokumentationen ein sehr zeitintensiver und aufwendiger Prozess ist. Oft ist die Dokumentation veraltet, weil sich niemand zuständig fühlt, keiner Lust hat oder schlichtweg niemand die Zeit findet. Deswegen sollte bei Projekten oder Aufgaben Zeit einkalkuliert werden, um die Dokumentation anzulegen oder zu aktualisieren. Empfehlenswert ist, dass das gesamte Team nach einem Projekt gemeinsam die bestehende Dokumentation sichtet und anpasst. Im Anschluss sollten alle anderen betroffenen Personen eine Info bekommen, dass die Dokumentation angepasst wurde. Dies ermöglicht, dass alle Personen sich mit der Dokumentation beschäftigen und Unklarheiten direkt geklärt werden. Um die zukünftige Arbeit zu reduzieren, sollte man die (schriftliche) Dokumentation auf ein Minimum begrenzen. Konzepte wie die Wissenstreppe verdeutlichen, dass nicht alle Informationen erfasst und verschriftlicht werden können.

Als Best Practice ist es wichtig, dass alle Informationen an einem zentralen Punkt gespeichert werden; Fragmentierungen sollten dringend vermieden werden. Oft entsteht eine Fragmentierung jedoch auch unbewusst, und Informationen werden dort gespeichert, wo sie eigentlich nicht hingehören. Klassische Beispiele hierfür sind E-Mails, Chats, Git-Commits oder Kommentare im Quellcode.

Wissen identifizieren

Ein wichtiger Schritt ist es, wichtiges und kritisches Wissen zu identifizieren, um es zu dokumentieren und weiterzugeben. Dieser Schritt ist sehr aufwendig und schwierig. Zunächst sollte die Ausgangslage und Ziele gesetzt werden: Welches Wissen ist vorhanden und welches Wissen wird benötigt, um die Unternehmensziele zu erfüllen. Hierbei sollten auch potenzielle Trends und neue Technologien berücksichtigt werden. Ebenso ist es hilfreich zu identifizieren, ob kritisches Wissen an einzelne Wissensträger gebunden ist.

Diese Überlegungen geben schon einmal eine grobe Richtung vor, welches Wissen potenziell kritisch ist. Es kann hilfreich sein, das Wissen zu kategorisieren in z. B. Basiswissen, kritisches Wissen und unkritisches Wissen. Das Identifizieren von Wissen ist immer als fortlaufender Prozess zu verstehen. Aber nicht nur Mitarbeiter sind potenzielle Wissensträger. Auch Partner, Lieferanten oder Kunden können wichtiges Wissen vorhalten.

Warum ist Wissensmanagement in der IT wichtig?

Abgesehen davon, dass die IT eine sehr wissensintensive Branche ist, gibt es noch weitere wichtige Gründe, warum sich eine Organisation mit Wissensmanagement befassen sollte. Natürlich gelten die nachfolgenden Gründe auch für Organisationen und Teams, die keinen ausgeprägten IT-Fokus haben.

  • Wissensabfluss vermeiden: Gerade in der IT herrscht häufig eine hohe Mitarbeiterfluktuation. Wenn erfahrene Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, geht wertvolles Wissen verloren.
  • Silodenken abbauen: In größeren IT-Teams oder verteilten Organisationen kann leicht ein Silodenken entstehen, bei dem Wissen und Erfahrungen in Abteilungen oder Gruppen eingeschlossen bleibt. Aktives Wissensmanagement fördert den unternehmensweiten Wissensaustausch.
  • Effizienz und Qualität steigern: Redundante Arbeit und das Rad neu erfinden kosten Zeit und Geld. Ein zentraler Wissenspool mit bewährten Lösungen, Best Practices und Lessons Learned beschleunigt Prozesse und erhöht die Qualität der Arbeitsergebnisse.
  • Innovation fördern: Eine Kultur der offenen Wissensteilung regt den Ideenaustausch an und ermöglicht es, Erkenntnisse aus unterschiedlichen Bereichen zusammenzuführen. Dies treibt die Entwicklung neuer Lösungen und Produkte voran.
  • Wettbewerbsvorteile: Der Austausch von Wissen kann zu Wettbewerbsvorteilen gegenüber Marktmitbewerbern führen. Der Austausch von Wissen im Team kann den Arbeitsfluss verbessern und Probleme vermeiden. Aber auch Lieferanten, Partner oder Kunden sind potenzielle Wissensquellen, die genutzt werden können.

Praktische Umsetzung

Die Umsetzung von Wissensmanagement in der Praxis ist eine kniffige Herausforderung und auch kein einmaliger Prozess. Prozesse, Methoden und Tools sollten immer wieder hinterfragt und optimiert werden. Leider gibt es keine Universallösung wie man Wissensmanagement in einer Organisation einführen kann. Vieles ist von den Mitarbeiter, Umfeld, genutzten technologien und Arbeitsweisen abhängig. Es wird auch nicht immer alles auf Anhieb funktionieren oder überhaupt zum Team passen.

  • Mindset: Als erster und wichtigster Punkt müssen sich sowohl Mitarbeiter als auch Manager bewusst sein, wie wichtig Wissensmanagement ist und welche Vorteile es hat. Die Prozesse, Wissen zu identifizieren, zu erhalten und weiterzugeben, müssen aktiv gelebt und in alle Arbeitsweisen bestmöglich integriert werden. Den Mitarbeitern sollte aber auch Zeit und Spielraum gegeben werden, Dokumentationen zu erstellen und Wissen im Team zu teilen.
  • Informationsmanagement: Das Thema Informationsmanagement haben wir schon weiter oben kurz angesprochen. Die bekanntesten und meistgenutzten Informationssysteme dürften wohl Wikis sein, in denen Informationen als Markdown-Dateien gespeichert werden. Für bestimmte Bereiche, z. B. Netzwerkdokumentation, gibt es auch spezielle Tools wie Netbox, die sich teils auch besser eignen als klassische Wikis. Wichtig ist es, eine Fragmentierung von Informationen zu vermeiden und nur das Notwendigste zu dokumentieren. Wikis müssen aber nicht nur technische Dokumentationen zu Infrastrukturen beinhalten. Ebenfalls können Best Practices und Erfahrungen über besondere Deployments oder Wartungen niedergeschrieben werden. Aber auch negative Erfahrungen, wie etwas nicht gemacht werden soll, sind Wissen, welches festgehalten werden kann.
  • Knowledge Sharing Sessions: Regelmäßige Wissens-Meetings, in denen Teams ihre Erkenntnisse und Erfahrungen aus Projekten vorstellen, fördern den Wissensaustausch über Abteilungsgrenzen hinweg. Auch Sprint Retrospectives bei Scrum können gut dazu genutzt werden um Wissen nach Projekten auszutauschen. Letztere können natürlich auch unabhängig von Scrum gemacht werden. Auch DevOps-Methoden oder Job-Rotationen sind alternative Möglichkeiten, um Wissen innerhalb eines Teams ohne langweilige Meetings zu verteilen.
  • Mentoring-Programme: Erfahrene Mitarbeiter können ihr Wissen in Mentoring-Programmen an Junioren und Neulinge weitergeben. Das fördert nachhaltige Kompetenzentwicklung.
  • Videokurse und Webinare: Schulungsvideos und -webinare sind eine zeitgemäße Möglichkeit, aufgezeichnete Expertise zu teilen. Mitarbeiter können diese bei Bedarf selbstständig abrufen.
  • Wissensmanagement-Systeme: Spezielle Software-Systeme ermöglichen die zentrale Ablage, Katalogisierung und Verteilung von Wissensressourcen aller Art. Sie erleichtern Mitarbeitern den gezielten Wissenszugriff.

Die größte Herausforderung für erfolgreiches Wissensmanagement ist die Etablierung einer offenen Wissenskultur. Mitarbeiter müssen dazu ermutigt werden, ihr Wissen offen zu teilen und auch Fehler und Probleme transparent zu kommunizieren. Nur so kann der volle Mehrwert der Wissensressourcen im Unternehmen genutzt werden.

Quellen

[1] Schauer, H. (2004) Impulse der Erkenntnistheorie und des Wissenschaftsbetriebs für eine betriebliche Wissensbewertung, In: Wissenschaftstheorie in Okonomie und Wirtschaftsinformatik, Ulrich Frank (Hrsg.)

[2] North, K. (2018) Wissen 4.0 – Wissensmanagement im digitalen Wandel, In: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik Ausgabe 55/2018

[3] Giwoleit, D. (2015) Bridging The Gap: Der Weg vom impliziten zum expliziten Wissen durch semantische Spracherkennung auf Basis eines ontologischen Wissensmanagementsystems, Abschlussarbeit (MA.), Universität Kiel

[4] Reinmann-Rothmeier, G. (2001) Wissen managen: Das Münchener Modell, In: Forschungsbericht Nr. 131

[5] Bartelsen, J. und Brauer, J. (2010) Kooperatives Lernen mit einem Wiki, Arbeitspapiere der Nordakademie Nr. 2010-01

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